Um den Begriff Empathie ranken sich mehr Mythen, als Sie vielleicht annehmen würden. Aber was ist Empathie eigentlich? Und was nicht?
Ist Empathie ein Wattebällchen aus dem Wolkenkuckucksheim?
Ja, es gibt sie noch immer. Die Manager und Führungskräfte, die jedes bisschen Empathie als Schwäche auslegen und im Businessalltag bestenfalls als störend und überflüssig empfinden. Die der Meinung sind, dass sich Mitarbeiter ein dickes Fell zulegen müssen und dass „echte Indianer keinen Schmerz kennen“. Aber sie werden Tag für Tag weniger – zum Glück!
Wer Vorgesetzte hat, die mit sich selbst im Reinen sind, erlebt stattdessen, was Empathie wirklich ist. Dass sie außerdem gut fürs Geschäft sind, beweisen aktuelle Untersuchungen. Wer sein Team empathisch führt, wird reich belohnt: Die Mitarbeiter sind gesünder (vor allem psychisch), innovativer, engagierter, können Beruf und Privatleben besser vereinbaren, arbeiten besser zusammen und sind mit ihrem Arbeitsplatz wesentlich zufriedener.
Sorgt Empathie dafür, dass niemand mehr Verantwortung übernimmt?
Es ist einer der hartnäckigsten Mythen. Ein empathischer Führungsstil sorgt angeblich für einen Mangel an Verantwortlichkeit, weniger Leistungsbereitschaft, schlechteren Ergebnissen.
Wäre das richtig, müsste aber auch der Umkehrschluss gelten: Strenge, Disziplin, Gehorsam führen zu mehr Verantwortlichkeit, besseren Leistungen und Ergebnissen.
Aus Erfahrung wissen, wir, dass ein autoritärer Führungsstil vor allem zu einem führt: Zur schlagartigen Flucht der Mitarbeiter. In Zeiten des Fachkräftemangels wahrscheinlich keine allzu gute Idee. Und wer schon einmal von einem autoritären Vorgesetzten „verantwortlich gemacht“ wurde weiß, was das bedeutet. Nichts Gutes.
Tatsache ist: Einfühlungsvermögen (der Führungskräfte) und Verantwortungsbewusstsein (der Mitarbeiter) gehen Hand in Hand. Menschen mit empathischen Vorgesetzten sind engagierter und leistungsfähiger.
Und was die Verantwortung betrifft, auch da können empathische Führungskräfte punkten. Denn sie zeigen Ihren Mitarbeitern, dass sie sie schätzen, dass ihre Arbeit wichtig ist und gewürdigt wird. Und das lohnt sich. Denn Menschen WOLLEN sich einbringen, wollen ihre Talente unter Beweis stellen und Verantwortung übernehmen. Großartige Führungskräfte wissen, was jeder einzelne besonders gut kann. Und genau diese Fähigkeiten fördern sie, indem sie die richtigen Voraussetzungen schaffen, dass jeder sein Bestes geben kann.
Wer als Vorgesetzter Empathie zeigt, wird ausgenutzt – oder doch nicht?
Das ist eines der häufigsten Vorurteile. Wenn Mitarbeiter „Schwäche“ wittern, nutzen sie sofort die Situation für sich aus und nehmen sich Freiheiten heraus, die dem Team und der Firma schaden.
An dieser Stelle müssen wir kurz einhaken: Damit es überhaupt so weit kommt, muss viel passiert sein. Nur, wer sich in einem Team absolut nicht geschätzt fühlt, strebt permanent nach dem eigenen Vorteil. Natürlich gibt es auch ab und an Menschen, denen man eine gewisse Soziopathie nachsagen muss, aber das ist nicht die Regel. Die meisten Mitarbeiter schätzen echtes Einfühlungsvermögen (was übrigens absolut nichts mit Schwäche zu tun hat).
Optimal ist es, wenn sich im gesamten Betrieb eine echte Verständnis-Kultur entwickelt, quer durch alle Abteilungen und Ebenen. Wo unterschiedliche Standpunkte nicht nur stillschweigend hingenommen, sondern akzeptiert und respektiert werden. Wo die Fähigkeiten und Talente im Mittelpunkt stehen und nicht die Fehler und Schwächen der Einzelnen. Wo Fehler erlaubt sind, gemeinsam gelernt wird, gemeinsam am Erfolg gearbeitet wird. Das sind die Unternehmen, wo jeder gerne arbeitet und die Fluktuation entsprechend gering ist.
Was ist denn jetzt Empathie? Und kann man das lernen?
Gleich vorweg: Ein empathischer Führungsstil bedeutet nicht, dass sie mit Ihrem Team mitleiden und bittere Tränen vergießen müssen, wenn gerade der Goldhamster Ihres Mitarbeiters gestorben ist. Er bedeutet auch nicht, dass Sie von sich oder Ihnen nahestehenden Menschen auf andere schließen. Was auch immer Sie durchgemacht haben – Sie sind ein Individuum – und jeder andere auch. Sie können also nicht einfach davon ausgehen, dass andere eine ähnliche Situation genauso empfinden wie Sie.
Natürlich ist es gut, sich in andere hineinzuversetzen – aber gehen Sie nicht davon aus, dass Sie WISSEN, was in anderen vorgeht. Wenn Sie es wirklich wissen wollen, müssen Sie zuerst fragen und dann zuhören.
Verstricken Sie sich also nicht in Vermutungen oder Vorurteile, sondern fragen Sie. Hören Sie zu. Und – ganz wichtig – halten Sie sich mit gutgemeinten Ratschlägen und pauschalen Aussagen wie „das wird schon wieder …“ zurück. Denn damit können Sie Menschen schnell vor den Kopf stoßen.
So entwickeln Sie einen empathischen Führungsstil
Wenn Sie helfen wollen (und als empathischer Mensch wollen Sie das natürlich), müssen Sie natürlich vorab wissen, wie Sie überhaupt helfen können. Und wie können Sie das besser herausfinden als durch eine konkrete, offene Frage. „Wie kann ich dir helfen? Gibt es irgendetwas, das ich für dich tun kann?“ ist für Betroffene hilfreicher als irgendwelche 08/15-Ratschläge aus Omas Mottenkiste.
Die gute Nachricht an dieser Stelle: Sie können es. Sie haben die Fähigkeit, Ihre Mitarbeiter empathisch zu führen. Das ist den meisten von uns angeboren. Vorausgesetzt, wir interessieren uns wirklich für die Menschen um uns herum – oder für den Firmenerfolg. So gesehen haben Sie drei gute Gründe für Empathie im Betrieb:
- Ihre Mitmenschen sind Ihnen wichtig
- Ihr Unternehmenserfolg ist Ihnen wichtig
- Sie sind sich selbst wichtig
Was Sie auch nicht vergessen sollten – auch Sie sind kein Superheld. Wenn Sie Empathie aktiv vorleben, wird sich dieser „Zustand“ auch im Team verbreiten. Und dann können auch Sie mit Verständnis rechnen, wenn es Ihnen mal nicht so gut geht. Denn Ihr Team wird Sie immer mit aller Kraft unterstützen, wenn es sich wertgeschätzt und wichtig fühlt.